Im Jahr 1956 entdeckte Kapitän Jacques Cousteau mit seinen mythischen ozeanographischen Schiff Calypso auf der äußeren Seite des immensen, Sha’ab Ali genannten und auf der Höhe der Westküste von Sinai gelegenen Riffs, das Wrack der Thistlegorm.

Es handelt sich dabei um ein englisches Transportschiff, welches 1940 von der Werft Thomson & Sons gebaut worden war und am Beginn des zweiten Weltkrieges von einem deutschen, von Kreta kommenden Bombengeschwader versenkt wurde, während es vor Anker lag.
Die von Cape Town kommende Thistlegorm war mit für die in Nordafrika stationierten Truppen bestimmtem Material beladen (Munition, Handgranaten, Panzerminen, Lee Enfield MK III-Gewehre, BSA-Motorräder, Autos der Marke Morris, LKW’s der Marke Bedford, zwei MK II Bren Carrier-Leichtpanzer, zwei Eisenbahnwaggons, zwei Tankwagen, zwei Lokomotiven, Ersatzteile, Medikamente, Reifen, Gummistiefel) und wurde von zwei Bomben getroffen, woraufhin sie in aufrechter Position 30 Meter tief auf den ebenen, sandigen Grund sank.

Quelle: Ulli Moesslang

Cousteau fand ein Schiff vor, welches trotz des infolge der Bombardierung ausgebrochenen Brandes praktisch genau wie seine Ladung vollkommen intakt war.
Er dokumentierte seine Entdeckung in einigen Szenen eines seiner erinnerungswürdigen Langfilme, wodurch eine breite Öffentlichkeit dieses außergewöhnliche Wrack kennenlernte, welches als das schönste und interessanteste des Roten Meeres gilt und eines der beliebtesten Ziele von Tauchern aus aller Welt darstellt.

Die Thistlegorm liegt 19,2 Meilen von Ras Mohammed und 31,2 Meilen von Naama Bay entfernt (ca. 4 Stunden Fahrzeit mit dem Boot).
Die Erkundung der Thistlegorm wird gewöhnlich in zwei Phasen durchgeführt, nachdem man das eigene Boot an den äußeren Vorrichtungen des Schiffes auf der Höhe des Hecks oder des Bugs festgetäut hat. Dabei handelt es sich oftmals um eine delikate Operation, die dem Tauchführer zu überlassen ist.
Tauchgang:
Der erste Tauchgang wird am Morgen durchgeführt und ist einer allgemeinen Besichtigung des Wracks, dessen Achse von Nordwesten nach Südosten ausgerichtet ist, vorbehalten.
Ausgangspunkt ist der tiefste Heckteil und vorzugsweise die Westseite, um das schwere Maschinengewehr und das Flakgeschütz, welche auf dem 25 Meter tief gelegenen Deck gut sichtbar sind, den von den deutschen Bomben verursachten breiten Riss auf der Höhe des vierten Frachtraums, welcher Munition, Bomben, die zwei MK II Bren Carrier-Panzer enthielt, und eine in 28 Metern Tiefe und 30 Meter vom Schiff entfernt gelegene Lokomotive sehen zu können.
Man taucht anschließend entlang der Brücke hoch, auf der häufig Gegenströmung in Richtung Südosten herrscht, und schwimmt auf den Bug zu, wo sich in 15 Metern Tiefe die perfekt erhaltene, große Ankerwinde, von den Seefahrern ‚Winch‘ genannt, befindet.
Während dieses Tauchgangs hat man nicht nur die Möglichkeit, die Struktur des Schiffes, sondern auch seine reiche Fauna zu bewundern, angefangen von großen Fledermausfischschwärmen (gen.Platax) bis zu den Barrakudas, von großen Zackenbarschen (gen.Chaetodon, Heniochus, Pomacanthus), von den Doktorfischen (gen.Acanthurus, Zebrasoma, Naso) bis zu den Krokodilsfischen (gen.Cociella) und von den Riesenhusaren bis zu den Soldatenfischen, die aus der Thistlegorm ein wahrhaft künstliches Riff machen.

Der Nachmittagstauchgang ist hingegen der Erkundung der inneren Strukturen des Schiffes, der drei Laderäume und ihrer Fracht, vorbehalten.
Der erste, am Bug gelegene Frachtraum ist der interessanteste. Der tiefer gelegene Bereich enthält Medikamentenkisten, Lee Enfield MK III-Gewehre, Gummistiefel und Reifen, während sich im oberen Bereich BSA-Motorräder und einige Automobile der Marke Morris befinden.
Der zweite, im mittleren Teil des Schiffes gelegene Frachtraum, dessen Eingang von zwei Eisenbahnwaggons flankiert wird, ist wie der vorhergehende in zwei Bereiche unterteilt:
Im unteren befinden sich die LKW’s der Marke Bedford, während im oberen ebenfalls BSA-Motorräder und Automobile der Marke Morris untergebracht sind.
Unmittelbar achteraus vom zweiten Frachtraum befindet sich die teilweise abgedeckte Kommandobrücke, von welcher man zur Kapitänskajüte gelangt.
Taucht man in Richtung Heck weiter, erreicht man den dritten Frachtraum, in welchem man hauptsächlich Munitionskisten und Handgranaten vorfindet.
Darunter kann man das Schornsteinloch und achteraus den Riss des einstigen vierten Frachtraums mit den MK II Bren Carrier-Kettenfahrzeugen, welche bereits auf dem ersten Tauchgang erforscht wurden, sehen. Hiermit ist der zweite Tauchgang auf die Thistlegorm beendet, wenngleich auch zu ihrer vollständigen Erkundung wenigstens 10 Tauchgänge nötig wären.

Leider hat heute die Anzahl der Taucher, die tagtäglich die Thistlegorm erkunden, ein unerträgliches Ausmaß in Bezug auf die Erhaltung der Schiffsstruktur angenommen und die freigesetzten Luftblasen, die sich an den Metallwänden des Schiffes sammeln, verursachen eine schädliche und rasche Zersetzung und gefährden dadurch den Fortbestand des Wracks.
In Zukunft werden strenge Bestimmungen zur Regelung der Tauchgänge oder vielleicht sogar die Schließung des Tauchplatzes selbst zum Schutz dieses einmaligen geschichtlichen Zeugnisses notwendig sein.

Daten der Thistlegorm :

* Schiffstyp: Transportschiff
* Nationalität: englisch
* Baujahr: 1940
* Länge: 131 m
* Breite: 17,5 m
* Tonnage: 9.009 t
* Untergang: 5.-6. Oktober 1941
* Tiefe: 16-33 m